Donnerstag, 30. September 2010

22. L'Isle d'Jourdan - La Mothe

Wenn ich - wie heute - sehr lange und mutterseelenallein durch die
Landschaften ziehe, werden meine Gespräche mit Gott intensiver und
ich spüre, dass ich eigentlich nie alleine auf dem Weg bin. Zu
erfahren, dass da einer ist, der immer mit mir geht, ist ein schönes
Geschenk, für das ich sehr dankbar bin. Es gibt mir ein
unerschütterliches Vertrauen auf meinem Weg und in meinem Leben.
Dieses Aufgehobensein ist ein zentraler Grund, wieso ich gut und gerne
alleine unterwegs sein kann und es mir dabei nie langweilig wird.

Mittwoch, 29. September 2010

21. Leguevin - L'Isle-Jourdain

Manchmal betrete ich grosse Kirchen am Weg, wo ich mich frage, wie und
wo man in diesen Räumen Gott begegnen könnte. Diese Kirchen sind so
verstaubt und mit so furchtbaren Helgen und Heiligenfiguren aus dem
19. Jahrhundert verstellt, dass man gar keine Lust hat, darin zu
verweilen. Wieso hat niemand den Mut, solche Kirchen radikal zu
entrümpeln? Eine (fast) leere Kirche könnte wenigstens ein Gefühl
der offenen Weite von Gott vermitteln. Das wäre m. E. sehr viel und
völlig genügend. Vielleicht gehen darum heute so viele Menschen auf
den Camino, weil sie in der Natur, in den Landschaften diese offene
Weite Gottes unverstellt erleben können.

Dienstag, 28. September 2010

20. Toulouse - Léguevin

Der Abschied von Zita am Flughafen von Toulouse ist mir nicht leicht
gefallen. Wir verbrachten drei stimmige und wunderschöne Tage in
dieser reichen Stadt. Trotz frisch gewaschenen Kleidern fühlte ich
mich in den Pilgerklamotten nicht mehr wohl. Mit dem Taxi liess ich
mich vom Flughafen nach Pibrac fahren, wo ich bald wieder die rot-
weissen Markierungen des Weges fand. Es war bereits 17 Uhr, als ich
den sieben Kilometer langen Weg nach Léguevin unter die Füsse nahm.
Die zwei Stunden Marsch haben mir gut getan. Ich konnte mich innerlich
nochmals von Zita und allem Luxus verabschieden und mich neu auf das
Pilgerleben einstimmen. In der Gîte habe ich - welch schöner Zufall -
Ekkehart getroffen. Der Norddeutsche, den ich als ersten Pilger in
Arles getroffen habe. Trotzdem: So richtig auf dem Weg bin ich noch
nicht...

Freitag, 24. September 2010

19. Baziège - Toulouse

Zum letzten Mal den ganzen Tag - bis zum Hauptbahnhof von Toulouse -
dem Canal du Midi entlang gelaufen. Je näher man der Grossstadt kommt,
desto mehr kleinere und grössere alte Frachtschiffe liegen am Kanal.
Sie wurden in Wohnboote umgebaut und sind heute stationär. Sehr
selten sieht man fahrende Schiffe. Vielleicht ist es im Sommer anders.
Am Morgen und kurz vor meiner Ankunft hat es zum ersten Mal richtig
heftig geregnet. Während ich in der Beiz schreibe, entlädt sich
wieder ein zünftiges Gewitter. Ungwohnt für mich. Heute waren auch
erste Vorboten des Herbstes zu spüren. Der Regen hat dafür gesorgt,
dass die Platanen erste Blätter loslassen mussten.
Nun ist es Zeit, einige Tage auszuruhen und Toulouse besser kennen zu
lernen. Schön, dass am Sonntag Zita für knapp drei Tage kommt. Wir
werden uns in einem guten Hotel verwöhnen lassen. Ich freue mich sehr.
Wahrscheinlich lasse ich in dieser Zeit auch das Schreiben bleiben.

Donnerstag, 23. September 2010

18. Am Canal du Midi nach Baziège

Weil ich heute und morgen den ganzen Tag an diesem Canal entlang
pilgere, will ich etwas zu seiner Geschichte sagen:
Bekanntlich haben Männer manchmal verrückte und grosse Ideen. König
Louis XIV gab 1666 den Auftrag, einen 240 km langen Kanal zu bauen,
der das Mittelmeer mit dem Atlantik verbinden sollte. Für den Bau
wurden 12'000 Männer eingestellt. Der Kanal ist 20 m breit und 2,25 m
tief. 64 Schleusen und 55 Aquädukte mussten gebaut werden, damit der
Kanal durchgehend mit Schiffen befahrbar wurde. Ein kaum vorstellbarer
Aufwand in einer Zeit, wo man noch keine Baumaschinen hatte. An
gewissen Stellen musste der Kanal sogar bestehende Flüsse queren. Dass
das Geld des Königs nicht reichte, war voraussehbar. Der König starb
vor der Eröffnung. Weil man dringend Geld benötigte, wurden Teile des
Kanals an reiche Familien verkauft. 1838 kaufte der Staat den Kanal
zurück. 1971 wurde er modernisiert. Heute wird er nur noch für
touristische Zwecke genutzt. Vor allem bei den Velofahrer ist er sehr
beliebt. Die Pilger benützen ihn nur um die an sich langen Etappen
abzukürzen.

Mittwoch, 22. September 2010

17. Les Casses - Montferrand

Ein Genuss vom Anfang bis Schluss. Gelandet bin ich bei einer kleinen
Laiengemeinschaft hoch über dem Dorf auf einem Hügel mit prächtiger
Rundumsicht auf die Garonne. Ein sehr fruchtbares, flaches Gebiet. Das
Zimmer ist sehr geräumig und geschmackvoll eingerichet. Wie in einem
guten Hotel! Ja, manchmal werden die Pilger auch verwöhnt.
Daneben steht ein aussergwöhnliches Denkmal, nämlich ein Leuchtturm
aus den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts. Er hat den Piloten
( u.a. auch für Saint Exupéry), die nachts für die französische
Post nach Afrika und später bis Amerika flogen, den Weg markiert.
Jeder Leuchturm sendete ein anderes Morsezeichen aus. So wussten die
Piloten immer, wo sie sich gerade befanden. Das waren noch Zeiten! Und
heute? Da gehen wenigsten wieder einige Menschen wie im Mittelalter zu
Fuss durch ganz Europa.

Dienstag, 21. September 2010

16. Dourgne - Les Casses

Bis zur Grossstadt Toulouse, die ich in vier Tagen erreichen werde,
kann man statt auf dem GR (gekennzeichneter Weitwanderweg) mehr oder
weniger dem Canal du Midi folgen und so mehrere Kilometer sparen. Das
werde ich natürlich tun. Einen Vorgeschack dessen, was mich erwartet,
habe ich schon heute erfahren. Ab dem Mittag bin ich drei Stunden
entlang einem kleinen Zubringerkanal des Canal du Midi gelaufen. So
schön es anfänglich war dem mäandrierenden Fluss auf einem gekiesten
Strässchen zu folgen, nach zwei Stunden sehnt man sich nach einer
Veränderung. Vielleicht, weil ich heute sehr rasch gelaufen bin und
die Etappe über 30 km lang war. Normalerweise habe ich die
"langweiligen" Etappen ausgesprochen gern. Ich werde morgen wieder
langsamer gehen.
Das Nachtessen in der Gîte Passeur-elle schmeckte heute besonders gut.
Die Franzosen kochen in der Regel einfach hervorragend.

Montag, 20. September 2010

15. Castres - Dourgne

Heiss und fast ausschliesslich geteerte Strassen. Ich bin zügig
marschiert und früh im Fraunkloster Scholastica angekommen. Vom
Kloster ist wenig zu spüren, weil wir in einem Haus ausserhalb der
Klostermauern untergebracht sind. Endlich genug Zeit und ideales
Wetter für eine grosse Wäsche. Das ist zwar nicht spannend, aber
gehört zum Pilgeralltag.
Jetzt sind mehr Pilger unterwegs. Ein Amerikaner aus New York mit
einem sieben Kilo schweren Rucksack, inkl. Zelt. Das soll mal einer
nachmachen. Ein Italiener, der den Weg in Rimini begonnen hat. Seine
Frau und eine Freundin begleiten ihn ab Castres vier Tage. Dann ist
noch eine Mutter mit ihrer Tochter aus Kanada hier. Die beiden mussten
vor fünf Tagen im Freien schlafen, weil sie sich verlaufen hatten.
Selbstverständlich sind auch einige ältere Franzosen da. Diese
Vielfalt an Nationalitäten auf dem Camino ist und bleibt für mich
immer wieder faszinierend. Vielleicht entsteht in den nächsten Tagen
mit diesen Pilgern eine gemeinsame, verbindende Geschichte.
Fortsetzung folgt (wie bisher).

Sonntag, 19. September 2010

14. Ein Heiliger in Castres?

Manchmal trifft man auf dem Camino Menschen, bei denen ich denke, dass
sie die Heiligen unserer Tage sind. Von einem dieser Menschen, den ich
ohne Bedenken heilig sprechen würde, will ich heute erzählen. Wir
sind heute zu Gast bei Dr. Py, einem 84-jährigen Arzt mit 5 Kindern.
Die erste Frau lag 14 Jahre im Koma und die zweite endete in der
psychiatrischen Klinik. Sie verlor den Verstand. Nun lebt dieser Arzt
seit vielen Jahren alleine in seinem grossen Haus mit vielen Zimmern.
Um sein Haus mit Leben zu füllen, nimmt er Pilger auf. Heute waren es
zehn. (Woher alle gekommen sind, kann ich mir nicht erklären, weil wir
in den letzten Tagen praktisch keine angetroffen haben.) Alle Pilger
erhalten ein frisch angezogenes Bett, zwei Handtücher und ein
Frühstück. Und dies alles unentgeltlich. Er hat lediglich eine
Spendenbüchse aufgestellt. Man solle nicht zu viel hineinwerfen, hat
er zu einem Pilger gesagt, denn er habe genug Geld. Daneben betreibt
dieser Arzt eine Internetplattform zum Thema Schwangerschaft und berät
Frauen telefonisch und per Mail ebenfalls unentgeltlich. Bis jetzt hat
er über 14'000 Frauen beraten. Der Mann strahlt eine grosse
Zufriedenheit und Abgeklärtheit aus. Ja, Dr. Py ist für mich ein
grosses Vorbild. Er hat nach einem sicher nicht leichten Leben dem
Alter einen tragenden Sinn gegeben. Er lebt für mich heiligmässig,
weil er sich voll und ganz in den Dienst anderer stellt.

Samstag, 18. September 2010

13. Anglès - Boissezon

Es hat heute zum Tagesbeginn so geregnet, dass wir zum ersten Mal
unsere Pelerinen anzogen. Wir waren damit gut unterwegs. Leute, die
noch nie auf dem Jakobweg waren, können es fast nicht fassen, dass ein
Regentag seinen ganz besonderen Reiz haben kann. Ich bin dann jeweils
viel achtsamer und nehme die Geräusche der Natur besser wahr.
Überhaupt habe ich das Gefühl, dass ich mich immer besser, leichter
und unbeschwerter fühle. Ich bin abends nicht mehr so müde und
beginne das Pilgern intensiver zu geniessen. Dass wir heute in einer
sehr schönen Gîte mit Zweierzimmern untergebracht sind, steigert das
Wohlbefinden noch zusätzlich. Morgen ist der letzte Tag an dem mich
meine Schwester begleitet. Sie war eine zähe und verlässliche
Mitpilgerin, auch wenn sie sich manchmal etwas luxuriösere
Unterkünfte gewünscht hätte. Dankbar annehmen, was der Weg einem
gibt, ist nicht immer so einfach. Wahrscheinlich wollen wir alle
immer wieder etwas mehr. Der Camino ist auch diesbezüglich ein guter
Lehrmeister.

Freitag, 17. September 2010

12. La Salvetat - Anglès

Zum Glück hat es heute nicht geregnet. Nur in den Wäldern war es noch
feucht und kühl vom gestrigen Regen. Obwohl Ursle sich etwas anderes
(besseres) vorgestellt hat, mussten wir schlussendlich froh sein, in
einer kleinen Gemeindegîte unterzukommen. Nicht einmal auswärts essen
konnten wir. Alle Beizen hatten zu.
In der Gîte wurde es eimmal mehr sehr gemütlich. Ein Elsässer, der
seit dem 17. März unterwegs ist (zz. auf dem Heimweg über Arles) war
auch in der Gîte. Ein spannender Rentner, der alles verkauft hat und
dauernd unterwegs ist. "Ein Abend ganz nach deinem Gusto", meinte
Ursula. So unrecht hat sie nicht.

Donnerstag, 16. September 2010

11. Murat - La Salvetat-sur-Agout

Seit mehr als einem Monat bin ich unterwegs und immer bei herrlichstem
Wetter. Heute hat es zum ersten Mal leicht geregnet und auch die
Temperaturen sind nicht mehr so angenehm warm. Die Etappe war seit
lägerem wieder einmal relativ kurz, "nur" 20 km lang. Meistens
bewegten wir uns auf weichen Waldwegen geradeaus. Die Leute in dieser
Gegend scheinen besonders gute Katholiken zu sein. An Weggabelungen
standen auffallend viele kleine Eisenkreuze mit einer Muschel. Ursula
und ich sind heute wieder die eizigen Pilger in der Gîte, die sich in
einem alten, vierstöckigen Steinhaus im Zentrum des Städtchens
befindet. Sie wird nicht besonders gepflegt. Schade. Das Gebäude ist
sehr stattlich. Und es regnet immer noch. . . . .

Mittwoch, 15. September 2010

10. Saint-Gervais - Murat-sur-Vèbre

Wir haben die letzte grosse Etappe über die bewaldeten Hügel des Haut
Languedoc gut geschafft. Jetzt sind wir im Departement Tarn. Die
Gegend ist völlig anders: grosse landwirtschaftliche Flächen und auf
den Feldern weiden Kühe wie in der Schweiz. Von der klimatischen
Veränderung haben wir noch nichts gemerkt. Hier soll das atlantische,
kühlere und wechselhaftere Klima herrschen.
Ursula ist in der einzigen Beiz des Ortes essen gegangen. Ich habe es
vorgezogen, ein Fertigmenü aus der Büchse zu essen. In unserer
heutigen Gîte kann man aus einer Vielzahl von Büchsen auswählen. Es
hat gut geschmeckt.

Dienstag, 14. September 2010

9. Lunès - Saint-Gervais

Gestern haben wir in einer Pilgerherberge geschlafen, welche unsere
Herberge in Rapperswil in allem bei weitem übertrifft. Sie bietet in
schönster Ambiance alles, was man in einem guten Hotel bekommt. Und
dies für 30 Euro, inklusive Halbpension. Die Adresse: Villa Issiates,
Joncels. Wir haben das Verwöhntwerden genossen und sammelten neue
Kräfte für die sehr strenge Etappe von heute.
Hügel, höhere und weniger hohe.
Wald, so weit das Auge reicht: Kastanienwälder, Steineichenwälder,
Buchenwälder, Föhrenwälder, Tannenwälder. Alle Sorten haben wir
heute bis zu Genüge durchwandert, die meiste Zeit aufwärts. Morgen
wird es nochmals eine ähnliche Etappe geben. Wir werden sie mit viel
Respekt angehen.

Montag, 13. September 2010

8. Lodève - Lunas

Auf dem kürzesten Weg, nämlich der Strasse entlang, wäre diese
Etappe 16 km weit. Der Pilgerweg, respektive der GR, ist gut 10 km
länger. Im Führer steht 27.4 km.
Man macht also bei den Tagesetappen in dieser Region grössere Umwege.
Meistens steigt man morgens 500 - 1000 m in die Höhe und gegen abends
geht's wieder runter in ein Dorf im Tal. Das wird mindestens noch zwei
weitere Tage so bleiben, denn wir sind im Haute Laguedoc. Ursula hat
allmählich genug von dieser Plackerei. Sie hat einen zu schweren
Rucksack und hat sich das Pilgern hier anders vorgestellt. Flacher und
kürzere Etappen. Ihre Erkenntnis zu diesen Umwegen:" Die Schätze des
Weges liegen bekanntlich nicht an der grossen Strasse. "

Sonntag, 12. September 2010

7. Saint-Jean de B. - Lodève

Meine Sympathie zum Languedoc wandelt sich allmählich zu einer
Verliebtheit in diese Region. Die Wege sind meistens zauberhaft schön.
Auf der heutigen Etappe sind wir am Vormittag stundenlang im Schatten
dichter Pinienwälder gewandert, immer mit einem speziellen feinen,
frischen Geruch in der Nase. Vielleicht stammte der Geruch von den
blau blühenden Erikastauden Vielleicht aber war es einfach das, was
man mit mediteranen Klima umschreibt. Am Nachmittag begleiteten uns
dann die Steineichenwälder über längere Zeit. Der Boden wurde karger
und nicht selten sind wir über glatte Felsen getippelt. So ist das
Pilgern eine wahre Wonne. Die letzten paar Kilometer auf einer
geteerten Strasse konnten unserer guten Stimmung nichts mehr anhaben.
Dass wir diese Nacht in einem Familienhotel (Hotel du Nord)
verbringen, ist das Tüpflein auf dem i.

Samstag, 11. September 2010

6. Saint-Guilem - Saint-Jean de-la-Blaquière

Wir sind an einem langweiligen Ort mit einer ungepflegten Gîte. Man
hat keine Lust an solchen Orten zu bleiben, aber wir haben keine
Alternative. Trotzdem sind wir dankbar, das Etappenziel auf Umwegen
erreicht zu haben. Wir sind nach einem schönen Aufstieg in der Früh
auf der Passhöhe einem falschen GR gefolgt und sind zwei gute Stunden
weiter aufwärts gegangen, bis wir auf dem Mont St. Baudille ankamen.
Selbst da oben merkten wir noch nicht, dass wir auf dem falschen Weg
waren, weil uns der GR auf der anderen Seite des Berges wieder
hinunter führte. Dabei hätten wir bereits nach der Passhöhe ins
nächste Tal absteigen müssen. Dass zwei andern Pilgern dasselbe
passiert ist, ist etwas tröstlich. Ja, man sollte beim Pilgern nicht
nur den rotweissen Markierungen folgen, sondern auch regelmässig den
Pilgerführer zu Rate ziehen. Ohne schlechtes Gewissen haben wir nach
dem langen und anstrengenden, aber schönen Umweg Autostop gemacht um
ans Tagesziel zu gelangen. Auf dem Mont St. Baudille haben wir
immerhin in der Ferne bereits die Pyrenäen gesehen. Alles in allem:
ein guter Tag mit relativ grossen Höhen und kleinen Tiefpunkten.

Freitag, 10. September 2010

5. Aniane - Saint-Guilhème-le-Désert

Heute konnten wir den Tag sehr geniessen. Die kurze Etappe erlaubte
uns unterwegs die Grotte Clamouse zu besichtigen. Diese Grotte ist
riesengross und die verschiedenen Gesteinsfomationen sind unglaublich
faszinierend. Der Besuch hat sich sehr gelohnt. Nun sind wir in dem
mittelalterlichen Bilderbuchstädtchen Saint-Guilème-Le-Désert mit
der berühmten romanischen Basilika. Auch die Unterkunft ist
dementsprechend: ein altes Steinhaus mit einem romantischen Innenhof,
das von den Karmeliterinnen Saint-Joseph als Gästehaus betrieben wird.
Mehrere Mitpilger, die seit Arles im gleichen Tempo pilgern,
übernachten am gleichen Ort. Es ist immer wieder schön, wenn man
abends Mitpilger trifft und sogar mit ihnen gemeinsam isst und
gemachte Erfahrungen austauschen kann. Das Wetter ist immer noch
sommerlich warm und es sieht so aus, dass es so bleiben wird.

Donnerstag, 9. September 2010

4. Montpellier - Aniane

Heute sind wir besonders schöne Wege in einer wilden, unfruchtbaren
Tundralandschaft gegangen. Es scheint, dass die Wege nach Montpellier
in abgelegendere Regionen führen.
In Aniane hatten wir grössere Probleme mit der Suche nach einer
Unterkunft. Ich wollte per Autostop in die nächste Ortschaft fahren
und Ursle wollte ins teure Hotel in Aniane. Nach längeren Diskussionen
gingen wir doch ins Hotel. In der Zwischenzeit war das letzte Zimmer
vergeben. Mürrisch steckte uns der Hotelier in ein kleines,
schmutziges Personalzimmer. Mir war das mehr als recht. Santiago hat
im letzten Moment für uns gesorgt. Weil es bereits dunkel war, hätten
wir nicht gewusst, wo wir sonst hätten schlafen können.

Mittwoch, 8. September 2010

3. Gallargues - Montpellier

Heute ist einmal mehr ein Engel des Caminos zum richtigen Zeitpunkt
aufgekreuzt um uns wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Weil es
letzte Nacht heftig gestürmt und geregnet hat, waren gewisse Wege
nicht mehr passierbar. Der Umweg über Lunel wurde uns zum Verhängnis.
Wir fanden einfach nicht die D 171, die uns hätte auf den GR bringen
sollen und verloren sehr viel Zeit. Als wir endlich die ungefähre
Richtung gefunden hatten, tauchte plötzlich die Hospitalera von
gestern auf. Sie hat uns gesucht, weil sie vermutete, dass wir den Weg
nicht finden könnten. Welch ein Glück! Wir haben überhaupt nicht an
so etwas gedacht. Der Camino lebt zu einem guten Teil von solchen
Engeln. Sie geben ihm eine Bedeutung, die weit über das alltägliche
Leben hinaus geht.
PS. Die "hysterische" Hospitalera hat diese Bezeichnung von mir
erhalten, weil sie unheimlich schnell umd viel redet. Trotzdem hat sie
sich mit Leib und Seele den Pilgern verschrieben.
In Montpellier sind wir bei der Kirche St. Roque in einem schönen,
aber etwas verlotterten Haus untergebracht.

Dienstag, 7. September 2010

2. St. Gilles - Gallargues

Wir stehen früh auf, weil wir wissen, dass die heutige Etappe 30
Kilometer lang ist. Der Himmel ist dunkelgrau verhangen. Es könnte
jeden Augenblick ein heftiges Gewitter, ja ein Sturm losbrechen. Wir
haben grosses Glück. Es windet zwar den ganzen Tag ziemlich fest, aber
wir erreichen die Herberge in Gallargues völlig trocken. Die Herberge
ist voll und wir haben uns nicht angemeldet. Aus Erfahrung weiss ich,
dass man die Pilger nicht abweist, obwohl es anfänglich so aussieht.
Schlussendlich bringt uns die hysterische Hospitalera in der Turnhalle
unter, die wir ganz alleine in Beschlag nehmen. Für Ursle hat dies den
Vorteil, dass sie ohne schlechtes Gewissen (weiter) schnarchen kann.
Für mich ist es sehr unangenehm, weil ich nicht schlafen kann.

Montag, 6. September 2010

1. Arles - St. Gilles

Eine prächtige erste Etappe nach dem langen Aufenthalt in Arles. Den
ganzen Tag folgen wir einem Seitenarm der Rhône. Topfeben und gute
Wege. So macht Pilgern Freude. In der Pilgerherberge bereitet Ursle
ein feines Birchermüesli zu. Auch einige andere Pilger sind in der
Herberge. Gut so. Die morgige Etappe wird 30 km lang sein, wenn wir
nicht in der Hälfte schlapp machen. Es soll den ganzen Tag regnen,
sagen die Leute vom Dorf.

Sonntag, 5. September 2010

Sonntag in Arles

Die Stadt ist ruhig. Nur wenige Touristen sind mit ihren Fotoapparaten
unterwegs. Sie schlendern langsamer als sonst herum. Um 11 Uhr besuche
ich die Messe in Saint Trophime.
Am Nachmittag steht das Museum Réatu auf dem Programm. Das Museum
befindet sich in einem stattlichen, mittealterlichen Haus an der
Rhóne. Einst gehörte es den Maltesern. Es beherbergt ausschliesslich
moderne Kunst, u. a. die Donation Picasso. Ca. fünfzig Bilder - vor
allem Köpfe -, die Picasso innerhalb eines Monates im Jahre 1971
gemalt hat. Ich habe viel Zeit für die Besichtigung und geniesse vor
allem die Ambiance des Hauses. Um 16.08 Uhr kommt meine Schwester
Ursle an. Sie bringt viele Neuigkeiten von zuhause mit. Das Nachtessen
(ein Salat mit Chèvre chaud und ein Glas Wein) schmeckt
ausgezeichnet. Jetzt freue ich mich sehr auf die Fortsetzung des Weges.

Samstag, 4. September 2010

Arles - Hauptstadt der Camargue

Meine Schwester Ursula wird mich ab Sonntag für zwei Wochen begleiten.
Drei Tage habe ich Zeit, diese wunderbare Stadt zu entdecken und es
gibt vieles, das sich lohnt anzuschauen. Da sind einmal die Überreste
aus der Zeit Caesars: ein grosses, gut erhaltenes Amphitheater, ein
zwetes antikes Theater und grosse Thernen aus der Zeit Konstantins.
Auch eine Krypta aus dem 2. Jahrhundert gibt es zu besichtigen.
Arles ist auch die Stadt Van Gogh. Der. Maler hat hier 18 Monate als
armer Schlucker in seinem bekannt gewordenen Dachzimmer gelebt
(1888/89). In dieser Zeit hat er ca. drehundert bedeutende Bilder
gemalt. Tragischerweise ist kein einziges Bild in der Stadt geblieben.
Die Leute haben seine Bedeutung zu spät erkannt. Dafür gibt es haute
in Arles eine Fondation Van Gogh und ein ihm gwidmetes Museum. Die
Erinnerung an ihn hältl man wach. Überall in der Stadt werden
Ansichtskarten und Poster dieses tragischen Malers angeboten. So! Für
heute habe ich genug Kultur aufgesaugt. Morgen werde ich mir das
Museum mit der Donation Picasso zu Gemüte führen.

Freitag, 3. September 2010

In Arles

Eine wunderbare Stadt mit einer grossen Vergangeheit Hier habe ich in
der Jugendherberge endlich zwei Pilger getroffen. Der Kanadier
pilgert Richtung Rom und der Deutsche macht die Via tolosana. Mit dem
Deutschen, auch ein Wiederholunstäter, bin ich in den Ausgang
gegaangen. Das hat gut getan.

Donnerstag, 2. September 2010

In Avignon

Nachdem ich heute den GR wieder nicht gefunden habe, bin ich kurz
entschlossen nach Avignon gefahren und habe mir einen gemütlichen Tag
gemacht. Ab Arles passiert mir das hoffentlich nicht mehr. Für diesen
Weg werde ich mit den umfassenden Unterlagen ausgrüstet sein. Und
hoffentlich werden dann auch einige andere Pilger unterwegs sein. Ich
ertrage das Alleinsein gut. Trotzdem ist es spannender, wenn auch
andere "Spinner" den gleichen Weg gehen. Der Weg von Gillonay bis
Arles scheint selten begangen zu werden. Die Leute wissen in der
Regel nichts von "ihrem" Jakobsweg. Sie kennen lediglich den Weg von
Le Puy. Ob sich das in Arles merklich ändern wird?

Mittwoch, 1. September 2010

Engel des Weges

Nicht immer sind die einzelnen Wegabschnitte gleich gut beschildert.
Heute jedenfalls bin ich - warum immer auch - vom Weg abgekommen. Weil
ich keine brauchbare Karte bei mir habe, war das Wiederfinden des
Weges ziemlich aussichtslos. Als ich irgendwann auf einer Fahrstrasse
landete, hielt nach kurzer Zeit ein Automobilist. Dieser hatte zwar
keine Ahnung von den GR, aber er fuhr mich so lamge in der Gegend
herum bis wir den Weg wieder gefunden hatten. Ich war für diese Hilfe
unendlich dankbar und sagte ihm, er sei ein Engel des Weges, was ihn
sichtlich rührte. Bei der Verabschiedung bat er mich: "Priez pour moi
à Compostelle." Diese kurze Begegnung brauchte es wohl heute. An
Zufälle glaube ich schon längst nicht mehr. Mein gestecktes Ziel habe
ich heute nicht erreicht. In Bagnois-sur-Cèze ist es ganz nett.