Donnerstag, 18. November 2010

69. Finisterre und Muxia

Meine Reise nach Santiago stand unter einem sehr guten Stern. Und das
Glück hat mich auch hier in Santiago nicht verlassen. Joss hat Besuch
mit dem Auto von Belgien erhalten. Mit diesem Ehepaar durften Johan
und ich nach Finisterre und Muxia mitfahren. In Finisterra war ich ja
schon zweimal. Vielleicht deshalb hat mich Muxia so berührt. Muxia ist
die Alternative zu Finisterre. Der Ort liegt ca. 30 km von Finisterre
entfernt, befindet sich auch direkt am Meer. Trotzdem lassen sich
diese Orte schlecht miteinander vergleichen. Das Besondere an Murxia
ist, das direkt am Meer eine schlichte, schöne Kirche steht. Die
Kirche wurde auf den Felsen gebaut. Rund um die Kirche liegen weitere
Felsen und grosse Steinbrocken, die von brausenden Meereswellen
umspült werden. Ein beeindrckendes Schauspiel... Und diese
Naturgewalten scheinen dieser Kirche nichts anhaben zu können. Im
Gegenteil: die Kirche steht selber wie ein Fels in der Brandung.
Dieses Bild hat mich tief beeindruckt. Solche starken Orte mit
grosser, natürlicher Ausstrahlung sind sehr selten. Ein wunderbares
(letztes) Abschiedsgeschenk von meiner Reise.
Der Abschied von meinen beiden Pilgerfreunden Joss und Johan steht mir
noch bevor. Auch an sie werde ich mich immer wieder erinnern.

Dienstag, 16. November 2010

68. Angekommen - Ultreïa!!

Nach genau drei Monaten bin ich heute noch einmal in meinem geliebten
Santiago angekommen. Ich sitze frisch geduscht, aber in den gleichen
Kleidern in meinem Stammcafé bei einer Torta de Santiago und einem
heissen Café. Die Compostela habe ich bereits dankbar in Empfang
genommen. Mit meinen beiden Freunden aus Schweden und Belgien werde
ich heute Abend essen gehen und morgen natürlich die Pilgermesse
besuchen.
Im Moment fehlen mir die Worte um mehr zu schreiben. Wahrscheinlich
ist es auch nicht nötig.
Fünf Stunden später: Wir haben das Leben gefeiert und viel gegessen
und getrunken. Meeresfrüchte aller Art, Weine erster Güte plus
Champagner. Alles, was man sich nur wünschen konnte. So gut habe ich
hier noch nie gegessen. Ja, Santiago sättigt nicht nur die Seele....

Sonntag, 14. November 2010

67. Letzte Nacht in einer Albergue

Seit ich das letzte Mal auf dem Camino war, sind viele neue, private
Herbergen eröffnet worden. Diese Nacht verbringen wir einmal mehr in
einer solchen privaten Albergue. Sie sind i.d.R. doppelt so teuer wie
die öffentlichen Herbergen (10 €). Sie bieten aber all das, was man
in der öffentlichen Herberge häufig vermisst: genügend Platz,
einwandfrei funktionierende sanitäre Anlagen, gute Heizung und eine
professionelle Gestaltung der Einrichtung. Man schläft genauso in
Kajütenbetten, aber die Ambiance ist besser. Die heutige Herberge ist
eine richtige Luxeseherberge. Jedes Detail stimmt und sie wirkt fast
etwas vornehm. Ich verstehe, dass immer mehr Pilger den privaten
Herberben den Vorzug geben. Entweder modernisieren sich die
öffentlichen Herbergen, oder sie werden immer mehr gemieden. Da spielt
der Markt. Die öffentlichen Herbergen haben eine ernst zu nehmende
Konkurrenz erhalten. Hoffentlich nehmen sie diese Herausforderung an.
Was soll's? Morgen komme ich in Santiago an. Dann kann mir auch eine
private Herberge gestohlen bleiben. Ein richtiges Hotel muss es sein!

Samstag, 13. November 2010

66. Arzua

Dieses Jahr sind besonders viele "Lightpilger" unterwegs, welche die
letzten 100 km ab Sarria zu Fuss bis Santiago gehen. Man erkennt sie
sofort. In der Regel tauchen sie in Gruppen auf und tragen keinen oder
nur einen kleinen Tagesrucksack. Natürlich hat man spontan das
Gefühl, das seien keine "echten" Pilger, aber wer kann schon sagen,
was echte und falsche Pilger sind. Sind wir nicht alle Pilger auf
dieser Erde? Ich mag es den "Lightpilgern" jedenfalls herzlich gönnen,
wenn sie in zwei Tagen wie ich die Compostela (so etwas wie ein
Pilgerdiplom) in Santiago erhalten.

Freitag, 12. November 2010

65. Wenn es im Kopf nicht mehr stimmt

Heute habe ich bis Palas de Rei die letzte längere Etappe (28 km)
zurückgelegt. Der Tag wollte und wollte nicht enden, weil ich diese
Etappe einfach hinter mich bringen wollte. Joss ist es ähnlich
ergangen. Zum Glück ist mir das bis anhin noch nie passiert. Ein
untrügerisches Zeichen dafür, dass ich mich sehne, endlich in
Santiago anzukommen. (Die letzten drei Etappen werden nur noch ca. 20
km lang sein.) Die letzten Tage waren halt doch ziemlich streng, zumal
auch das Wetter sehr unberechenbar war. Manchmal merkt man dies erst
im Nachhinein. Ja, "toutes est dans la tête!" (Henri Jarnier)

Donnerstag, 11. November 2010

64. Portomarin

Es ist zu spät um viel schreiben zu können. Alle schlafen schon und
die Lichter sind gelöscht. Alles ist o.k. Gute Nacht!

Mittwoch, 10. November 2010

63. Der eigene Rhythmus

Gestern habe ich über meine Verhältnisse gelebt, d.h. ich bin mit
meinen durchnässten Schuhen zu schnell gelaufen und habe prompt einige
unangenehme Blasen a u f meinen Zehen eingefangen. Dies ist weiter
nicht schlimm, aber es wirft einen aus der Bahn. Man merkt dann, dass
etwas nicht mehr im Lot ist, man verliert die Balance, das innere
Gleichgewicht, weil man den eigenen Rhythmus nicht eingehalten hat.
Der innere Rhythmus ist etwas ganz subtiles. Erst wenn man ihn
verloren hat, merkt man, wie wichtig er ist. Heute war das Wetter
erstaunlicherweise vorübergehend besser und ich bemühte mich, das
innere Gleichgewicht wieder herzustellen. Phasenweise ist mir dies
gelungen und ab und zu dachte ich: "Es ist jetzt dann genug und Zeit,
dass ich in Santiago ankomme". In spätestens sechs Tagen ist es so
weit. Wie ich mich freue! Auf ein Hotel, auf das Fruhstück im Parador
und auf alle meine Lieben zuhause, auf meine Frau Zita, unsere drei
Kinder und meine kleine Enkelin Sophie, die mich wahrscheinlich nicht
mehr kennen wird.
Übrigens: Meine altmodischen Schollpflaster bewähren sich viel
besser, als die supermodernen Compeedpflaster, die ich in Frankreich
gekauft habe

Dienstag, 9. November 2010

62. Schnee - mal dia

Fast noch schlimmer als gestern. Es hat die ganze Nacht gestürmt und
am Morgen nach dem Frühstück begann es richtig zu schneien. Als wir
uns nach gut zwei Stunden Marsch auf einen warmen Kafi in einer warmen
Beiz auf dem Alto de Pojo freuten, wurden wir enttäuscht. Der Strom
und damit auch die Heizung war in der Bar ausgefallen. Nichts von
einem frischen Kafi, stattdessen eine gedämpfte Stimmung in der
halbdunkeln und halbwarmen Beiz. Bin durchnässt und halbverfroren in
Triacastela angekommen. Kein guter Tag. Mehrere Einheimischen sagten
es direkter "mal dia". Ja, der Jakobsweg kann auch hart sein und ans
Lebendige gehen.

Montag, 8. November 2010

61. Der Cebreiro hat es in sich

Der Cebreiro ist der letzte grosse Übergang, den die Pilger zu
überwinden haben bis sie in Galicien, dem "gelobten" Land sind. Wenn
der Cebreiro geschafft ist, dann ist man fast schon am Ziel, in
Santiago, angekommen. Wir mussten uns den Cebreiro hart verdienen. Ich
kann mich nicht übers Wetter beklagen, hatte ich doch bis anhin fast
ausschliesslich gutes Wetter. Heute aber war es ein Hundewetter. Es
hat es den ganzen Tag geregnet und geblasen. Zwei, drei Stunden sind
gut zu ertragen, aber wenn der Regen länger anhält, kann es mühsam
und schwierig werden. Mit der Zeit wird dann fast alles nass. Sowohl
Joss wie auch Johann stuften den heutigen Tag als den härtesten
während ihren ganzen Pilgerreise ein. Als Belohnung wollten wir uns
ein Hotel gönnen, aber alles war beseetzt. Mit Glück fanden wir noch
eine Privatunterkunft. Leider wird die Heizung um 23.00 Uhr
abgestellt. Wir müssen also morgen nasse Schuhe anziehen...

Sonntag, 7. November 2010

60. Pilgerboom - wie lange noch?

Ich kenne den Camino gut und doch könnte ich 10x diesen Weg gehen und
immer wieder Neues entdecken. Manchmal bin ich sehr erstaunt, wieviel
sich allein in den letzten 3 - 4 Jahren verändert hat. Vor allem wurde
viel gebaut, auch neue Hostales und Herbergen für Pilger, die sich
jetzt gegenseitig konkurrenzieren. Insgesamt hat der Camino in den
Dörfern und Städten, wo er vorbei führt, einen grossen
Wachstumsschub ausgelöst. Alle wollen jetzt an den Pilgern etwas
verdienen. Wie lange dieser Boom wohl anhält? Dieses Jahr - im
Heiligen Jahr - sind 10 - 20 % weniger Pilger nach Spanien gekommen
als letztes Jahr. Vielleicht haben viele gedacht, in Spanien hat es in
diesem Jahr sowieso zu viele Pilger und sind auf andere Länder
ausgewichen. Unsere Herberge in Rapperswil wurde dieses Jahr von
besonders vielen Pilger aufgesucht. Das würde diese Theorie bestätgen.
Meine Theorie: Der Pilgerboom wird anhalten, weil immer mehr Menschen
spüren, dass Pilgern ihnen gut tut, aber es wird eine Verlagerung
geben zu andern Pilgerwegen in andern Ländern. (notiert in Villafranca
del Bierzo)

Samstag, 6. November 2010

59. Weggemeinschaft

Es sieht so aus, dass wir zu dritt gemeinsam in ca. 10 Tagen in
Santiago ankommen werden. Der eine heisst Johann und kommt aus
Schweden. Er ist 54-jähriger Reiseunternehmer und hat vor seiner
Pilgerreise einige seiner Firmen verkauft. Er logiert immer in kleinen
Hostals. Joss ist frisch pensionierter Agronomieingenieur aus Belgien.
Er ist wie ich bald drei Monate unterwegs. Weggemeinschaften bilden
sich zufällig auf dem Camino, wenn man längere Zeit auf den gleichen
Etappen unterwegs ist. Am Anfang trifft man sich zufällig mehrmals,
dann trifft man sich bei einem Nachtessen und irgendwann ist es
einfach klar, dass man miteinander essen geht. Es ist schön, wenn sich
so neue Freundschaften bilden, ohne dass die eigene Autonomie
verloren geht. Mit der Zeit weiss man sehr viel voneinander und die
gegenseitige Rücksichtsnahme und Hilfe nimmt zu. Bin gespannt, ob und
wie wir drei gemeinsam in Santiago ankommen und ob diese
Freundschaften über den Camino hinaus Bestand haben werden. (notiert
in Molinaseco)

Freitag, 5. November 2010

58. Rabanal del Camino

Vor zwölf Jahren hat sich hier eine kleine Benediktinergemeinschaft
aus St. Odilien niedergelassen. Neben der alten,
renovationsbedürftigen Dorfkirche haben sie ihr kleines Klösterli
inkl. einem kleinen Klosterladen gebaut. Das Kloster nennt sich San
Salvador del Monte Irago. Die Dorfkirche ist jetzt zugleich
Klosterkirche. Mich beeindruckt, dass die Kirche an einem wichtigen
Ort des Caminos präsent ist und eine alte, fast baufällige Kirche von
innen her neu belebt wurde. Täglich um sieben Uhr wird eine Messe
gefeiert. Die heutige Messe hat mich sehr berührt, vielleicht gerade
deshalb, weil das Kircheninnere in einem desolaten Zustand ist und die
Atmosphäre in der vollen Kirche so warm, lebendig und echt war. Die
Hälfte der Besucher waren Einheimische. Eine weitere Sternstunde auf
dem Camino.

Donnerstag, 4. November 2010

57. Museo de los Caminos in Astorga

Der Bischofspalast von Gaudí in Astorga beherbergt ein kleines nicht
besonders gut gestaltetes Museum, das ich immer besuche, wenn ich hier
bin. Eine Reihe von schönen Jakobsfiguren werden hier ausgestellt, die
ich immer gern fotografiert hätte. Diesmal ist mir dies trotz
Fotoverbot gelungen. Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb ich
dieses Museum wiederholt besuche: Das Original des Cruz de Ferro wird
hier aufbewahrt. Ein ganz besonderes Kreuz!
Jeder Mensch trägt Bilder in sich, die ihm mehr oder weniger viel
bedeuten. Die positiven Bilder, die man tief drinnen gespeichert hat,
sind für die Psychologie Ressourcenbilder. Für mich ist das Cruz de
Ferro ein solches Bild. Das schönste Kreuz, das ich je gesehen habe.
Es ist ein sehr einfaches, eher kleines Eisenkreuz, das oben auf einer
ca. 6 m hohen, nicht ganz geraden Stange angebracht wurde. Die Stange
steht inmitten eines grossen Steinhaufens auf dem Rabanalpass (den ich
übermorgen passieren werde). Leider wurde diese alte Stange vor ca. 10
Jahren böswillig abgesägt. Die Verantwortlichen haben nun einen
dicken geometrischen Holzpfahl mit einem Eisenkern als Ersatz
eingesetzt und damit dem Cruz de Ferro seine Leichtigkeit genommen.
Anders gesagt: Mein gespeichertes Bild passt nicht mehr mit dem
heutigen Zustand des Cruz de Ferro überein. Ich will aber mein altes
Bild behalten. Im Museum sehe ich wenigstens das Original des Kreuzes.
Wie viele tausend haben in den vergangenen Jahrhunderten am Fusse
dieses Kreuzes auf dem Steinhaufen einen Stein für ihre Sorgen und
Nöte hingelegt?

Mittwoch, 3. November 2010

56. San Martin

Meine Erkältung ist nicht mehr schlimm und die mühsamen, langweiligen
Etappen sind zum Glück vorbei.
Heute ging es in der (ungeheizten) Herberge sehr weltlich zu und her.
Wir haben den Match Real Madrid gegen Milano im Fernsehen angeschaut.
Es ist unglaublich, welch grossen Stellenwert der Fussball in Spanien
hat. Meine Begeisterung für das Tschutten hält sich in Grenzen. Die
2. Halbzeit verbrachte ich im Bett.

Dienstag, 2. November 2010

55. LEÓN

Bin fest verkältet und halb krank. Trotzdem mit Joss aus Belgien und
Johann aus Schweden gut Znacht gegessen... mit viel Wein.

Montag, 1. November 2010

54. In Mansilla de las Mullas

Zwischen Sahagun un Mansilla - auf einer ziemlich geraden Strecke von
ca. 50 km Länge - wurde vor etwa zehn Jahren neben einer wenig
befahrenen Strasse ein spezieller Pilgerweg errichtet, der von ca.
5000 Platanen gesäumt wird. Ich weiss noch, wie ich mich einst
darüber geärgert habe, weil ich der Ansicht war, man sollte der
Meseta nicht ihre Kargheit nehmen. Die Bäume seien ein Fremdkörper in
dieser Landschaft. In der Zwischenzeit sind die Bäume zum Teil schon
recht grosse Schattenspender geworden und fügen sich gut in die
Landschft ein. Trotzdem ist die ganze Strecke sehr langweilig.
Stunden-, ja tagelang von Baum zu Baum zu gehen, ist nicht sehr
lustig. Morgen bin ich in León. Der Weg wieder natürlicher und
abwechslungsreicher. Und in zwei Wochen bin ich in Santiago. Ultreïa!