Sonntag, 19. September 2010

14. Ein Heiliger in Castres?

Manchmal trifft man auf dem Camino Menschen, bei denen ich denke, dass
sie die Heiligen unserer Tage sind. Von einem dieser Menschen, den ich
ohne Bedenken heilig sprechen würde, will ich heute erzählen. Wir
sind heute zu Gast bei Dr. Py, einem 84-jährigen Arzt mit 5 Kindern.
Die erste Frau lag 14 Jahre im Koma und die zweite endete in der
psychiatrischen Klinik. Sie verlor den Verstand. Nun lebt dieser Arzt
seit vielen Jahren alleine in seinem grossen Haus mit vielen Zimmern.
Um sein Haus mit Leben zu füllen, nimmt er Pilger auf. Heute waren es
zehn. (Woher alle gekommen sind, kann ich mir nicht erklären, weil wir
in den letzten Tagen praktisch keine angetroffen haben.) Alle Pilger
erhalten ein frisch angezogenes Bett, zwei Handtücher und ein
Frühstück. Und dies alles unentgeltlich. Er hat lediglich eine
Spendenbüchse aufgestellt. Man solle nicht zu viel hineinwerfen, hat
er zu einem Pilger gesagt, denn er habe genug Geld. Daneben betreibt
dieser Arzt eine Internetplattform zum Thema Schwangerschaft und berät
Frauen telefonisch und per Mail ebenfalls unentgeltlich. Bis jetzt hat
er über 14'000 Frauen beraten. Der Mann strahlt eine grosse
Zufriedenheit und Abgeklärtheit aus. Ja, Dr. Py ist für mich ein
grosses Vorbild. Er hat nach einem sicher nicht leichten Leben dem
Alter einen tragenden Sinn gegeben. Er lebt für mich heiligmässig,
weil er sich voll und ganz in den Dienst anderer stellt.